Bauern- und Rebleutezunft Burkheim                   

 

 Die Geschichte der Burkheimer Zünfte 

- Fischerzunft Burkheim

- Handwerkerzunft Burkheim

- Bauern und Rebleutezunft Burkheim

(Aus der Festschrift : 400 Jahre Bauern und Handwerkerzunft Burkheim, vom 07.-10. September 1973)

Wer immer es unternimmt, die  Vergangenheit von Zünften aufzuhellen, kommt nicht umhin, zunächst einen kurzen Überblick über die Entstehung und Entwicklung des gesamten Zunftwesens zu geben. Denn Verständnis für noch bestehende Ordnungen wird gemeinhin nur der erlangen, der Kenntnis von den Ursprüngen dieser Ordnungen besitzt.

Der Anfang des deutschen Zunftwesens liegt im 12. Jahrhundert. Die Bewohner der kleinen Dörfer waren damals nicht etwa freie Bürger, sondern einem Grundherren untertan, dem sie zu zinsen und zu frohnen hatten. Anders lagen die Verhältnisse in den bestehenden Städten; "Stadtluft machte frei". Wohl hatten die Einwohner der Städte auch einige Steuern zu entrichten und an der Wehr der Stadt teilzuhaben, aber sie waren weniger bedrängt als die Bewohner der Dörfer. Kein Wunder also, daß viele, sofern es ihnen vom Großherzogtum gestattet wurde, die Dörfer verließen und in die Städte zogen. Für Handwerker z.B. war ein solcher Umzug gewissermaßen Zwang. In den Städten fanden sie nicht nur größere persönliche Freiheit, sondern auch ein gesichertes Auskommen; hier bestanden größere Verkaufsmöglichkeiten, daneben aber auch Fortbildungsgelegenheiten, die dem dörflichen Handwerker verschlossen bleiben mußten.

Das Zunftwesen entwickelte sich zunächst in den Städten. Die Zünfte waren anfangs nur fachgenossenschaftliche Vereinigungen, etwa wie die heutigen Innungen. Die ureigenste Aufgabe bestand in der Sorge um ihre Mitglieder. Dazu gehörten die Ausbildung der Lehrlinge, die Fortbildung der Gesellen und Meister, die Sicherung eines leistungsgerechten Einkommens und nicht zuletzt die Versorgung ihrer arbeitsunfähig gewordenen Meister oder deren Witwen und Waisen der Verstorbenen. Dabei trieben sie erstaunlich geschickte Art Mittelstandspolitik; sie setzten die Preise für ihre Erzeugnisse selbst fest und garantierten damit jedem Geschäftsinhaber ein sicheres Auskommen, schützten aber auch die Kundschaft vor Preistreiberei und Ramschware. Dazu ein Beispiel: Nach einer Verordnung von Lazarus von Schwendi durften die Burkheimer Bäcker kein "ungeschautes Brot" verkaufen; die Ware mußte auf Größe und Gewicht stichprobenweise überprüft werden, und am Freiburger Münster befinden sich heute noch die Steine, die anzeigen, wie groß ein Brot sein mußte. Diese Bestimmung diente dem Schutz des Kunden. Gleichzeitig hatte Schwendi aber auch verordnet, daß an Wochentagen hier nur ein Bäcker seinen Laden geöffnet haben durfte, und nur auf Sonn- und Feiertage hatten alle Bäcker das Recht zu backen. Daraus wird klar, daß man jedem seinen Verdienst gönnte; wie hätten die damals hier bestehenden Bäcker auf einen grünen Zweig kommen sollen, wenn jeder täglich hätte backen müssen? Durch den Wechsel der Offenhaltung des Geschäfts kam jeder einmal an die Reihe, und durch die allgemeine Öffnung vor den Feiertagen kam so etwas wie Konkurrenz zustande, die dem Kunden wiederum nur recht sein konnte.

Nun wäre es verfehlt zu glauben, daß die Zünfte und ihre Mitglieder in den Städten gleich einen goldenen Boden gefunden hätten. Sie genossen zwar alle persönlichen Freiheiten, hatten aber in der Verwaltung der Städte nichts zu bestellen. Diese lag voll in den Händen der alteingesessenen Geschlechter, der Patrizier, und diese wachten anfangs argwöhnisch darüber, daß kein Zugezogener in der Stadt Mitsprache- oder gar Weisungsrechte erhielt. Wohl aber waren die Zugewanderten verpflichtet, die Lasten der Patrizier zu teilen, vor allem in Kriegs- und Notzeiten an der Wehr und der Verteidigung der Stadt teilzunehmen. Dazu bekam jede Zunft einen ihrer Stärke angemessenen Teil der Stadtmauer zur Verteidigung zugewiesen. Meist mußten sich die Mitglieder einer Zunft auch in einer Straße oder dem gleichen Stadtviertel niederlassen. Daran erinnern z.B. heute noch in Freiburg die Namen Gerberau und Fischerau, in Burkheim die Fischergasse. Bis etwa 1350 waren die Zunftmitglieder vom vollen Bürgerrecht ausgeschlossen. Es ist einleuchtend, daß die Zunftbrüder, die getreulich alle Lasten mitzutragen hatten, natürlich auch die entsprechenden Rechte verlangten. Die Patrizier waren keineswegs freiwillig gesonnen, dem an sich sehr vernünftigen Verlangen der Zünfte stattzugeben. Es bedurfte jahrelanger, oft blutiger Kämpfe, bis den Zunftbrüdern das volle Bürgerrecht zugestanden wurde. Erst nach etwa 1400 war es soweit. In der Folge gingen gerade aus den Reihen der Zunftbrüder sehr tüchtige Ratsherren und Bürgermeister hervor. Nun aber entfaltete sich auch das Zunftleben zu voller Blüte, und davon profitierte auch das Kulturleben der Städte. Es sei in diesem Zusammenhang nur auf den dichtenden Schuhmachermeister Hans Sachs aus Nürnberg verwiesen, oder auf Jerg Wickram, der sich zunächst als Goldschmied betätigt hatte und in seiner Vaterstadt Colmar eine Meistersingerschule eröffnete und außer Büchern eine ganze Reihe von Schauspielen verfasste, die bei weltlichen oder kirchlichen Anlässen zur Aufführung kamen.

Der Niedergang des gesamten öffentlichen Lebens durch die Wirren zum Beginn der Neuzeit brachte auch den Rückgang der Macht der Zünfte, das Einsetzen des Maschinenzeitalters, und das Heraufkommen der Industrie machte ihnen dann noch vollends den Garaus. An ihre Stelle traten die Innungen, doch ist deren Gewicht, gemessen an der früheren Macht der Zünfte, heute verhältnismäßig gering.

Wenden wir uns nun der langen Geschichte der Burkheimer Zünfte zu. Die älteste von ihnen ist die Fischerzunft. Ihr Bestehen ist seit dem Jahr 1442 urkundlich nachgewiesen; sie ist damit wahrscheinlich mit den Fischerzünften von Kappel a. Rh. und Altenheim eine der ältesten Zünfte unseres Landes. In der Fastenzeit jenes fernen Landes bestätigten die gemeinsamen Inhaber der Herrschaft, Berthold von Staufen, Hans Lüttamann von Ratzenhausen "Denen Fischern und Weydtlütten, die do hörent in die Herrschaft zu Burckheim, solche Ordnung und Gewohnheit, so dieselben lange Zeit hergebracht handt". Aus dieser Urkunde erhellt, daß sich die Fischer schon früher als 1442 zu einer Vereinigung zusammengeschlossen haben mußten. Dies ist durchaus nicht verwunderlich; denn durch die Lage am Rhein war die Gelegenheit zum Fischfang jederzeit gegeben, und Fische waren schon immer ein begehrtes Nahrungsmittel.

Die Stadt Burkheim bestätigte 1454 die Fischerzunft und trat damit auch das bis dahin ihr allein zustehende Recht über die Nutzung der Fischwasser an die Zunft ab. Noch heute erteilt hier nicht die Gemeinde das Recht zum Angeln, sondern die Fischerzunft.

Am 4. Mai 1564 erfuhr die Zunft eine erneute Bestätigung ihrer Rechte durch Lazarus von Schwendi, der ihr zugleich eine neue, über 20 Artikel umfassende Zunftordnung mit strengen Regeln auferlegte. Ein ganzes Register voll Strafen bedrohte den Missetäter, der die Ordnung übertreten würde. Die Fischwasser, die sich nach Schwendis Verordnung von Breisach bis zur Limburg erstreckten, wurden jeweils um den Lichtmesstag in Lose geteilt, und jeder Fischer hatte sein Los unverzüglich zu kennzeichnen. Damit war eine recht genaue Kontrolle des Verhaltens des einzelnen Fischers möglich. Wer allzusehr sündigte, verlor sein Zeichen, d.h. er wurde praktisch aus dem Beruf ausgestoßen. Da die Fischgründe nicht unerschöpflich waren, blieb das selbstständige Fischen nur den Meistern vorbehalten, und die Zunft beschränkte die Zahl ihrer Meister von sich aus. Damit war die Möglichkeit eines sicheren Verdienstes gegeben.

Eine besondere Bedeutung kam der Fischerzunft durch den Betrieb der Fähre zu, die seit der Verordnung Kaiser Karls IV. von 1348 Eigentum der Stadt war. Die Fähre war nie Eigentum der Herrschaft oder gar erst von Schwendi, wie einmal behauptet wurde, "in dessen Gebot" eingerichtet worden, sondern immer im Besitz der Stadt, wenn auch die Einnahmen aus dem Betrieb hälftig mit der Herrschaft zu teilen waren. Eben weil die Fischerzunft die Fähre zu betreiben hatte, die Einnahmen also praktisch nur durch ihre Arbeit in die Stadtkasse flossen, besaß die Zunft auch ein entsprechendes politisches Gewicht; viele Zunftmeister waren auch Ratsherren, und manche Auseinandersetzungen wurde zugunsten der Zunft entschieden, obgleich das Recht nicht immer auf ihrer Seite stand.

Die Handwerkerzunft ist eine Gründung des mächtigen Pfandherrn Lazarus von Schwendi. Er stiftete sie am 29.Januar 1571 und zwar für alle Handwerker des gesamten Herrschaftsbereiches. Daher sind in den noch vorhandenen alten Zunftbüchern auch Namen von Handwerkern aus Ober- und Niederrotweil, Jechtingen, Oberbergen und Vogtsburg verzeichnet. Nach 1700 finden wir aber auch Handwerker aus anderen Gegenden, sogar einen aus dem "Schwabenlande". Die Mitgliedschaft blieb also nicht mehr auf den Bereich der Herrschaft begrenzt.

Während die Fischerzunft die Zahl ihrer selbstständigen Meister so klein wie möglich hielt, hatte die Handwerkerzunft immer einen beträchtlichen Mitgliederstand. Im Jahre 1728 gehörten ihr 112 Zunftbrüder an; zahlreich sind die Weber, Metzger, Schuster und Bäcker vertreten. Daneben umfaßte sie aber auch Maurer, Müller, Schneider, Ziegler, Hafner, Seiler, Glaser und Sattler. Ein Großteil dieser Handwerker war in Burkheim ansässig: Noch nach 1800 gab es hier 65 Handwerker gegenüber 18 Fischern. Die Handwerkerzunft hatte das Recht, Gesellen- und Meisterbriefe auszustellen, nachdem die entsprechenden Prüfungen abgenommen waren. Zur Meisterprüfung war ein bestimmtes Lebensalter vorgeschrieben, eine ordnungsgemäß abgeleistete Wanderzeit und die Anfertigung eines Meisterstücks auf der hiesigen Zunftstube in Gegenwart eines von der Zunft bestimmten Schaumeisters.

Wie bei den Fischern war selbstständiges Arbeiten nur den Meistern erlaubt. Um nun schneller in den Besitz eines Meisterrechts zu kommen, heiratete mancher junge Meister die Witwe eines verstorbenen Zunftbruders, die die Berechtigung zur Führung eines Geschäftes mit dem Tode ihres Mannes nicht verloren hatte und kam damit schneller zu einem eigenen Betrieb.

Von dem hohen handwerklichen Können zeugt der silberne Becher der Handwerkerzunft, der im Jahre 1630 auf der Zunftstube verfertigt wurde. Offensichtlich war es früher üblich, daß jeder Zunftmeister einen Anhänger daran anbringen ließ; leider ist ein erheblicher teil davon abgebrochen und verschollen. Dennoch läßt sich aus den noch vorhandenen Anhängseln das wechselnde Geschick der Zunft einigermaßen genau rekonstruieren. Weil der Zunftsitz stets in Burkheim und die Zunft für das Handwerk bedeutungsvoll war, hat auch sie sicher nicht wenig zum Ansehen der Stadt beigetragen. Auch ihren Reihen entstammt eine bedeutende Zahl von Ratsherren und Bürgermeistern, u.a. auch Johann Georg Stocker, der nach 1720 die Geschicke Burkheims leitete und den Wiederaufbau tüchtig vorantrieb.

Die zahlenmäßig größte Zunft war die Zunft der Bauern und Rebleute, ebenfalls eine Gründung Schwendis vom 29. Januar 1571. Zweifellos hat Schwendi diese Zunft nicht nur geschaffen, damit die Bauern eine Organisation zur Wahrung ihrer Standesinteressen und zur Schulung ihrer Mitglieder besaßen, er verfolgte einen besonderen Zweck damit. Der kluge und praktisch denkende Feldherr hatte längst erkannt - was aus seinen militärischen Schriften hervorgeht - daß das Söldnerwesen auf die Dauer unhaltbar, weil unzweckmäßig war und verfolgte die Absicht, an dessen Stelle mindestens im Bereich der bedrohten Grenzen eine Art Miliz oder "Wehrbauern" zu schaffen. Mit der Stiftung der Bauernzunft konnte er diese Gedanken verwirklichen; er ordnete dazu an, daß jeder Zunftbruder "ein Harnisch und gewehr und geschoß" haben müsse. Da die meisten Einwohner der Herrschaft Bauern und Winzer waren und der Zunft angehören mußten, konnte sich Schwendi notfalls außer auf das bestehende Fähnlein von 57 Mann auch auf die ansehnliche Bauernstreitmacht stützen.

Zum inneren Aufbau der einzelnen Zünfte ist zu sagen, daß dieser sich mindestens seit den Zeiten Schwendis ähnlich zeigt. Die Mitglieder waren eingeteilt in Meister, Gesellen und Lehrlinge. Nur die Meister hatten bei den Zunftversammlungen, den Geboten, Stimmrecht. Sie wählten auch die beiden, den Zünften vorstehenden Zunftmeister. Ihre Amtszeit dauerte damals sechs Jahre, gewählt wuurden sie in rollierendem System wie heute unsere Gemeinderäte. So kennt die Fischerzunft z.B. zu den Lebzeiten Schwendis einen "alten Zunftmeister" namens Brucker und einen "jungen" mit dem Namen Wangenmacher. Ihnen zur Seite standen für die Erledigung der schriftlichen Arbeiten, besonders für die Führung der Zunftbücher, der Zunftschreiber. Hier muß man den Handwerkern ein Lob ausstellen; sie wählten sich immer Zunftschreiber mit ausgesprochen schöner Handschrift, weshalb ihre alten Schriften auch heute noch gut lesbar sind. Der Schankherr war der Kassierer und Vermögensverwalter der Zunft, gleichzeitig oft auch deren Richter.

Noch nicht ganz klar ist die Bedeutung der sogenannten "Sechsmänner", die jede Zunft besaß. Sie können eine Art Obmänner, Beisitzer oder gar Aufsichtsräte gewesen sein. Bei der Durchsicht der alten Zunftbücher der Fischer- und Handwerkerzunft fällt allerdings auf, daß die Sechsmänner Namen tragen, von denen immer nur einer in Burkheim als Familiennamen vorkommt. Man kann also auch annehmen, daß jeder der sechs Orte der Herrschaft einen Meister bestimmte, der die Belange der Zunft innerhalb seines Wohnortes wahrzunehmen hatte.

Die Vermögensverwaltung lag, wie oben schon erwähnt, in den Händen der "Schankherren". Diese besaßen den einen Schlüssel der Zunftlade, ein Zunftmeister den anderen, so daß die Kasse, die auch Schriftstücke enthielt, nur von beiden gemeinsam geöffnet werden konnte. Fischer und Handwerkerzunft waren nicht eben unbemittelt, über das Vermögen der Bauernzunft wissen wir nichts, da keine alten Urkunden mehr vorhanden sind.

Zunftlade der Bauern- und Rebleutezunft

Zunächst flossen den Zünften die Aufnahmebeiträge zu. Wer in die Fischerzunft eintreten wollte, hatte nach der Verordnung Schwendis "ein Pfund Wachs der lieben Frau und der Zunft 5 Schillinge" zu stiften. (Das Wachs diente der Herstellung von Kerzen für die Heilig-Kreuz-Kapelle.) Dazu erhielt die Fischerzunft Abgaben aus dem Verkaufserlös der Fänge. Die Handwerkerzunft verlangte von jedem eintrittswilligen Meister den für damalige Zeiten recht ansehnlichen Betrag von zwei Gulden. War der Eingetretene Sohn eines Zunftbruders, so hatte er nur einen Gulden zu zahlen. War er Sohn eines Zunftbruders und zugleich mit der Tochter eines anderen Zunftbruders verheiratet, so war der Eintritt frei. Außer diesen Geldern wurde von beiden Zünften noch ein Jahresbeitrag verlangt. Recht zahlreich flossen auch die Strafgelder; hier trat die Fischerzunft besonders hervor. Schon nach der Schwendischen Ordnung von 1564 war praktisch auch der "krumme Tritt" unter eine Strafe, meist 3 Rappen, gestellt, die der Zunftkasse zuflossen. Daneben hagelte es auch Bußen wegen Übertretungen der Gebotsordnungen. Sobald bei den Zusammenkünften die Zunftlade geöffnet war, tat jeder Zunftbruder gut, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen; denn eine unbedachte Äußerung war schnell geahndet. Es mag dem rauhen Geschlecht der Fischer immer schwer gefallen sein, sich den Anweisungen der gewählten Zunftmeister oder den gemeinsam gefassten Beschlüssen zu beugen. In gar manchem Gebot werden die Zunftmeister beschimpft, und oft genug handelten die Fischer den gemeinsam gefassten Beschlüssen zuwider, und die vermeidbar gewesene Strafe wurde unausbleiblich.

Da ging es bei den Handwerkern ruhiger zu. Ihre Zunftbücher verzeichnen wohl auch Zwiste zwischen den einzelnen Meistern oder Klagen von Gesellen und Lehrlingen über ihre Meister, doch insgesamt gesehen waren  die Delikte geringfügiger Art und die Bußen daher auch bescheiden. Wenn schon Strafen verhängt wurden, so überschritten sie nie den Betrag von 3 Schilling, dazu einige Maß Wein und etwas Brot, zum Verzehr bei den Geboten bestimmt. Immer aber findet sich der Ausdruck daß die Angelegenheit mit der "Handtrey" abgetan wurde, einem Händedruck also, mit der die Streitsache beigelegt wurde. Das beweist ein sehr faires Vehalten und ist ein beredtes Zeichen für den Geist der Zunft, in der ein Manneswort ebenso viel Wert war wie heute ein papierener Vergleich.

Die verfügbaren Zunftbücher der Handwerker und Fischer geben uns zwar keinen Aufschluß über die Höhe des Vermögens, aber sie verraten uns, was mit den Geldern geschah. Sie blieben keineswegs in der Zunftlade liegen, sondern wurden stets verliehen. Die Zünfte traten also als Kreditgeber auf, und an Kreditnehmern war in jenen Zeiten kein Mangel. Mancher junge Meister benötigte zum AUfbau eines eigenen Geschäftes einen Betrag, den er von der Zunft bekommen konnte. Natürlich mußte das Darlehen immer verzinst werden, wobei es Zinsen einbrachte. Dazu kommt, daß man durch die Verleihung einem Totalverlust besser vorbeugen konnte. Durch einen Diebstahl oder einen Brand hätte das Vermögen leicht ganz verloren gehen können. Wenn man es aber nicht in der Lade beließ, sondern in kleine Pakete aufteilte und diese an Darlehensnehmer verteilte, konnte zwar ein Teil auch noch verloren gehen, aber nie das ganze Vermögen. Wir erkennen, wie praktisch man in jener Zeit dachte und auch handelte. Wir erfahren aus den Büchern aber auch, wie arm die Menschen damals waren, denn oft genug lesen wir in den Abrechnungen, daß ein Darlehensnehmer nicht einmal in der Lage war, den Zins für eine Schuld aufzubringen.

Natürlich war das Verhältnis zwischen der Einwohnerschaft und den Zünften oder der Stadtverwaltung und einer Zunft nicht immer ungetrübt. Besonders im 18. Jahrhundert sind die Händel recht zahlreich. Zunächst hatte die Fischerzunft allen Grund zur Klage, denn in der allgemeinen Verwilderung jener Zeit kümmerten sich die Burkheimer nicht mehr um das Bestehen der Fischereiordnung, sondern jeder ging zum Fischen wie er wollte. Daher beklagte sich die Zunft beim Bürgermeister und Rat der Stadt, daß die von Alters her bestehende Ordnung wieder beachtet werden müsse. Sie erreichte auch die volle Bestätigung ihrer Rechte und das Verbot des allgemeinen Fischens. - Wenige Jahre später kam es zu einem neuen Zwist. Das Zunftbuch verzeichnet unter dem 22. Februar 1738 den Eintrag, daß die Fischerzunft vor dem Rat erschienen sei und "sie ein groß stredt mit uns gehabt haben, weillen sie das gantz brunn Wasser haben wollen hin wögt nemmen." Darauf sei aber die Zunft nicht eingegangen, meint der Zunftschreiber, "sondern mir seindt gesesen gebliben."

Geradezu spaßig scheint uns eine Auseinandersetzung zwischen Fischern und einem "namentlich nicht genannt sein wollendem Sechsmann" der Handwerker, der die Fischerzunft so "gröblich affraundieret hat, willen er geredt hat und gesagt, er schiß uns auf Wasser." Das war für die "Ehrsamen Fischer", die sich selber die Fischwasser verfuhren, Reußen und Aalkörbe mausten, das Wasser verzäunten usw. natürlich eine Majestätsbeleidigung und daraus erhob sich ein "groß streidt."

Um 1750 nach dem Niedergang der Stadt und dem Schwinden der Macht der Pfandherren, setzte auch der Niedergang der Zünfte ein. Bis dahin gab es, wie aus den Gründungsurkunden und den späteren Bestätigungen durch die verschiedenen Pfandherren hervorgeht immer nur Zünfte im ganzen Bereich der Herrschaft, und es ist irrig, von Vorrechten der "Burkheimer Zünfte" oder der "Burkheimer Handwerker" zu sprechen. Gerade bei den Handwerkern setzte nun aber das Bestreben nach Selbstständigkeit  ein; die Genossen aus den Orten des Talgangs versuchten, eigene örtliche Zünfte zu bilden, sich also von der Gesamtzunft zu lösen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an der Vorderösterreichischen Regierung, die dem Vorhaben die Zustimmung versagte. Noch am 27. Juni 1778 bestätigte Kaiserin Maria Theresia den gesamten Handwerkern der vorderösterreichischen Stadt und Herrschaft Burkheim die seit langem bestehenden Rechte. Trotzdem hatte die Todesstunde für die Zünfte geschlagen. Die Auflösung der Herrschaft und der Übergang an das Großherzogtum Baden 1805/06 bereiteten dem Bestehen der Gesamtzünfte ein Ende. Nach 1811 schlossen sich die Handwerker und die Bauernzunft weisungsgemäß dem Bezirkszunftverein Breisach an; die Fischerzunft blieb auch weiterhin selbstständig, aber nur noch als lokale Zunft. Die Breisacher Fischer versuchten nun, die Burkheimer Zunft zum Anschluß zu zwingen. Erst nach einem langen Prozess entschied das Bezirksamt Breisach 1840, daß keinerlei Gründe für eine Auflösung oder Einverleibung bestehen. Damit blieb die Eigenständigkeit der hiesigen Fischerzunft gewahrt. Es gelang ihr auch, ihre Interessen gegenüber der Gemeinde zu verteidigen, die 1891 die Fischwasser an sich ziehen und anderweitig verpachten wollte. Unter dem damaligen Zunftmeister Ferdinand Dürr wurde ein Protest an den badischen Großherzog eingereicht, der auch erfolgreich war. Und als 1919/20 die Gemeinde die von Frankreich als Ersatz für die Waldungen auf der linken Rheinseite gezahlten Entschädigungen einkassieren wollte, trat die Fischerzunft wieder auf den Plan und erreichte von der Gemeinde eine Vergütung für ihre dort verlorenen Fischwasser.

Handwerker und Bauern gründeten nach 1859 eigene "Vereine", damit sie Ihr Vermögen erhalten konnten. Es will scheinen, daß damals die Zunft der Bauern und Rebleute einen neuen Aufschwung genommen hat. Der lange Jahre hindurch hier tätige Hauptlehrer Angst hat als "Sekretär des landwirtschaftlichen Vereins" das Zunftgeschehen getreulich im Zunftbuch festgehalten. Die dem Zunftbuch vorangestellte Geschichte ist allerdings bedeutungslos, weil die meisten Angaben sich nicht durch Tatsachen belegen lassen. Immerhin verdanken wir Angst eine recht ausführliche Darstellung der Wetter und Ernteverhältnisse zwischen 1880 und 1890 mit erschöpfenden Ausführungen von Rebkrankheiten und ihrer Bekämpfung.

Heute haben die Zünfte gewiß kein die Gemeindepolitik bestimmendes Gewicht mehr. Immerhin treten sie bei besonderen Anlässen noch in Erscheinung. Es ist Ehrensache jeder Zunft, ihre verstorbenen Mitglieder auf dem letzten Gang zu begleiten, wobei die Leidstangen den Sarg flankieren und Zunftbrüder den Leichenwagen ziehen. An Prozessionen werden die Freudstangen jeder Zunft mitgeführt, und die Zünfte sorgen auch für die Träger ihrer Zunftheiligen. Jede Zunft hält jährlich Ihr Gebot ab, in dessen Verlauf die Dienste für das laufende Jahr vergeben werden. Die Handwerker treffen sich um den Josefstag im "Adler", die Bauern um den Urbanstag in der "Kreuz Post" und die Fischer um Peter und Paul in der "Krone". Traditionsgemäß hält man dabei auch einen frohen Umtrunk, es gibt Zunftwecken oder Brezeln, auf die sich die Kinder der Zunftbrüder schon vorher freuen, als ob sie diese nicht jeden Samstag beim Bäcker holen könnten. Bei den Geboten werden auch immer Junghandwerker oder Jungbauern aufgenommen, während die Fischerzunft noch heute die Zahl ihrer Mitglieder beschränkt.

Es ist erfreulich, daß es immer wieder junge Leute gibt, die den Zünften beitreten und damit zur Erhaltung wertvoller Vergangenheit beitragen. Es ist nicht der schlechteste Dienst, den sie Ihrer Heimat erweisen können.

Helmut Witt  (September 1973)